Buchbesprechung

Mit Fake News regieren

Jacques Baud (Bild zvg)

Internationale Konflikte: 30 Jahre «Infox» in den westlichen Ländern1

von Gabriel Galice*

Jacques Baud, der Autor dieses Buches, ist ein Oberst a.D. des Generalstabs des strategischen Nachrichtendienstes der Schweiz. An der Universität Genf studierte er unter anderem Politikwissenschaft und Ökonometrie. Als Experte für chemische und nukleare Waffen hat er sowohl vor Ort (Sudan, Demokratische Republik Kongo) als auch in Analyseräumen (für die UNO in New York, für die NATO in Brüssel) gearbeitet. Zu seinen ersten Veröffentlichungen gehört eine Enzyklopädie der Nachrichtendienste und Geheimdienste.

Jacques Baud, Max Milo, 2020,
398 Seiten, ISBN 978-2-315-00956-5

«Mit Fake News regieren» ist mit 400 Seiten das umfangreichste seiner neueren Publikationen. In den ersten Zeilen heisst es: «Meine Aufzeichnungen und Analysen aus fünfunddreissig Jahren im Bereich der internationalen Sicherheit auf drei Kontinenten, im Dienste der Sicherheit und des Friedens, auf nationaler und internationaler Ebene, hätten zusammengenommen etwas mehr als 470 000 Menschenleben retten können. Aber es wurde nichts getan! Die Angst, von der vorherrschenden Meinung abzuweichen, Vorurteile und die Weigerung, ein Problem aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, sind bequeme Vorwände, hinter denen sich oft Inkompetenz und mangelnde Neugier verbergen.»

«Völliger Mangel an Vorstellungskraft bei der Suche nach Alternativen zur Gewaltanwendung»

«[...] Ich habe mit Militärangehörigen aus allen Ländern gearbeitet. Ich habe die Schwäche der höheren Führungsebenen gesehen: die Unfähigkeit, die Logik des Gegners zu verstehen, das Fehlen von Allgemeinbildung, das Fehlen einer Sensibilität für die ganzheitliche Dimension von Konflikten, ein völliger Mangel an Vorstellungskraft bei der Suche nach Alternativen zur Anwendung von Gewalt. [...] Diplomaten sind nicht viel besser. Sie sind im Allgemeinen gebildeter, aber oft korrupt, mut- und phantasielos.»

Baud lässt die Schauplätze der offenen und verdeckten Kriege, unsere Untaten und die Lügen der unterwürfigen Führer und Journalisten Revue passieren. In Syrien geht er mit den von Laurent Fabius gepriesenen «gemässigten Rebellen» und dem «friedlichen Charakter der ersten Demonstrationen» ins Gericht. «Während der syrischen Präsidentschaftswahlen am 3. Juni 2014 haben Frankreich, Deutschland und die Schweiz syrischen Staatsangehörigen die Teilnahme an der Abstimmung in den Botschaften untersagt.» (S. 122)

Er unterstreicht den Zusammenhang zwischen unseren militärischen Interventionen und terroristischen Reaktionen, ungeachtet den Aussagen von Manuel Valls. Baud entlarvt die Inkohärenz vieler gegen Putin und Russland erhobenen Vorwürfe. «Die Anschuldigungen gegen Putin sind systematisch vage und substanzlos. [...] So löste die Ausstrahlung von Oliver Stones Dokumentarfilm über Putin auf France 3 im Juni 2017 den Zorn des Journalisten Vincent Jauvert aus, der den Film als ‹skandalös› bezeichnete und die ‹zahlreichen Lügen› anprangerte, die er enthalte. Er lieferte jedoch kein einziges faktisches Element, das eine Lüge beweisen oder die Wiederherstellung der Wahrheit ermöglichen würde.» (S. 287)

Baud legt auch die Inkonsistenz des Narrativs der Skripal-Affäre bloss. «Der ‹Fact-Checker› der Europäischen Union hat sich zu einem echten Ort der Desinformation gegen Russland entwickelt» (S. 387). Zu Venezuela: «Ein grundlegendes Problem hier in Europa, wie auch in der Schweiz (die sich den Sanktionen angeschlossen hat), ist das Fehlen unabhängiger analytischer Geheimdienstkapazitäten.» (S. 384)

Dieses Buch strahlt Intelligenz und Redlichkeit aus, es ist eine Fundgrube für Informationen, eine Richtigstellung von Ungereimtheiten und eine Aufforderung zum Nachdenken, um die Welt deutlicher zu erkennen.

1 Das Buch ist bisher nur in französisch erschienen.

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

* Dr. Gabriel Galice ist ein in der Schweiz lebender französischer Ökonom und Politologe. Er ist Präsident des Genfer Instituts für Friedensforschung (GIPRI).

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