Auf dem Weg zu einem europäischen Faschismus
Die Verurteilung von Marine Le Pen zur Unwählbarkeit offenbart eine schwere Krise der Demokratie
von Roland Hureaux,* Frankreich
(16. Mai 2025) Die vom Pariser Gerichtshof gegen Marine Le Pen und vierzig weitere Mitglieder des «Rassemblement National» verhängte extravagante Strafe ist eine Beleidigung der Demokratie, die weit über diese politische Familie und unsere Grenzen hinaus schockiert hat.

(Bild zvg)
Wenn die Urheber dieses Verfahrens den Kandidaten des Rassemblement national (RN) bei den nächsten Wahlen hätten auf mehr als 50% der Stimmen hieven wollen, hätten sie es nicht besser machen können.
Eine Kandidatin, die nicht weniger als die Vorsitzende der wichtigsten Oppositionspartei ist und sich zweimal im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen befand, aus einem geringfügigen Grund vom Spielfeld zu verbannen, zeugt von einer ernsthaften Verschlechterung der politischen Sitten in unserem Land.
Dieser Prozess macht inhaltlich keinen Sinn, da die Arbeit eines parlamentarischen Attachés genau die gleiche ist wie die eines Verwaltungsleiters einer Partei. Unter verschiedenen juristischen Bezeichnungen erfüllen beide die gleiche Funktion, nämlich die Logistik eines Politikers zu gewährleisten, um ihn bei seinen schweren Aufgaben zu unterstützen: Dokumentation, Verfassen von Notizen, Artikeln, Reden, Organisation von Sitzungen und Reisen. Die Unterscheidung zwischen den beiden ist daher völlig künstlich. Allenfalls könnte man einen Verwaltungsfehler geltend machen, aber keine schwere Straftat.

Unabhängig von den rechtlichen Argumenten gegen Marine Le Pen, ist der Prozess inhaltlich sinnlos. Es ist schockierend, dass die schlecht informierte Öffentlichkeit sich ungeheure Schandtaten vorstellen kann, die nicht stattfanden. Wenn das Gericht von Veruntreuung öffentlicher Gelder hört, stellt es sich vor, dass dies zu ihrem persönlichen Vorteil sei; das ist jedoch überhaupt nicht der Fall. Die in der Verfassung verankerten politischen Parteien bleiben eine öffentliche Einrichtung. Der Wille, einen Systemgegner zu beschmutzen, ist klar. Zumal alle Parteiführer, angefangen mit François Bayrou, dem derzeitigen Premierminister, die gleiche Strafe riskierten und nur Marine le Pen bestraft wurde.
Ebenso schockierend ist die vorläufige (und damit sofortige) Vollstreckung in einem Fall, der die Politik betrifft, ein Unsinn. Ein Verfahren, das natürlich nicht für diese Art von Straftat gilt, bei der das Risiko einer sofortigen Wiederholung gleich Null ist.
Im vorliegenden Fall sind die politischen Konsequenzen schwerwiegend, da die Präsidentin des «Rassemblement national» von den nächsten Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen wird.
Es ist klar, dass diese Entscheidung in die Reihe derjenigen Entscheidungen passt, die Călin Georgescu in Rumänien getroffen haben: Annullierung der Wahl, bei der er an erster Stelle stand, und Unwählbarkeit ohne ernsthafte Gründe, und auch der Mordversuch am slowakischen Premierminister.1
Diese Praktiken stehen im Einklang mit der Zunahme von Meinungsprozessen, Zensur, der erzwungenen Einförmigkeit der Medien und der Durchsetzung eines Einheitsdenkens in allen Bereichen, das normalerweise den Bestrebungen der Völker zuwiderläuft.
Die französischen Richter sind nicht auf Befehl der Europäischen Kommission tätig, aber beide unterliegen derselben Ideologie. Das Europäische Parlament hat das Verfahren eingeleitet. Für den Italiener Salvini ist die Entscheidung «eine Kriegserklärung von Brüssel». Damit ist das Vorhaben erfüllt. Der Fall «Marine Le Pen» reiht sich in eine sehr beunruhigende Entwicklung ein, den Aufstieg – um es deutlich zu sagen – eines europäischen Faschismus.
Wie ich bereits in einem meiner früheren Bücher aufgezeigt habe,2 hat die europäische Konstruktion intellektuell den Charakter einer Ideologie, wie es der Kommunismus oder der Faschismus waren, wenn auch bisher weniger brutal. Sie legt Prinzipien fest, in diesem Fall das Projekt der schrittweisen Umwandlung Westeuropas in einen Einheitsstaat, und leitet daraus a priori alle Konsequenzen ab, ohne die Bestrebungen der realen Völker und das, was der Kern jeder Politik sein sollte, zu berücksichtigen: die Verteidigung einer bestimmten menschlichen Gemeinschaft.
Jede Ideologie führt zur schrittweisen Abschaffung von Demokratie und Freiheit. Wir sind an diesem Punkt angelangt. Der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es offen gesagt: «Es darf keine demokratische Entscheidung gegen die europäischen Verträge geben.»
Der RN hat nun alle Legitimität, die Fahne der Verteidigung authentischer demokratischer Werte zu tragen und eine radikale Reform der französischen Justiz zu fordern.
Die Staatsanwaltschaft für Finanzen wurde eingerichtet, um die schwere Finanzkriminalität zu bekämpfen. Man sieht nicht, dass sie sich darum kümmert. Eingeweihte wissen zum Beispiel, dass französische Banken an gigantischen Geldwäscheoperationen beteiligt waren. Was macht die Staatsanwaltschaft für Finanzen? Man hat sie bereits in der Affäre François Fillon am Werk gesehen, wodurch die Wahl des derzeitigen Präsidenten ermöglicht wurde.
Aufgrund seiner Zusammensetzung und seiner Praktiken ist die Staatsanwaltschaft für Finanzen eindeutig eine hochpolitische Gerichtsbarkeit, die nichts mehr mit Gerechtigkeit zu tun hat. Jean-Louis Borloo sagte, dass der amtierende Präsident mit diesem Instrument jeden Rivalen loswerden könne. Es ist offensichtlich, dass wir es in diesem Fall mit einem echten Verfahrensmissbrauch zu tun haben.
Wenn nicht bald ein Berufungsurteil ergeht, das das Urteil vom 31. März revidiert, werden wir mit einer massiven Krise der europäischen Demokratie konfrontiert sein.
* Roland Hureaux, geboren 1948, ist Absolvent der Ecole normale supérieure (ENS) in Paris und der Ecole nationale d'administration (ENA) und diplomierter Historiker. Er war auf verschiedenen Ebenen politisch aktiv und hat zahlreiche Essays zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen veröffentlicht, darunter «Les Hauteurs béantes de l'Europe» (Guibert), «La Grande démolition» (Buchet-Chastel), «D'une crise à l'autre» (Perspectives libres) und «Le grand Reset n'aura pas lieu» (L'Harmattan). |
(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)
1 In diesem Zusammenhang wurden zwei afrikanische Präsidenten und ein Haitianer, die sich weigerten, sich gegen Covid impfen zu lassen, ermordet. Ein weiterer Afrikaner war Gegenstand eines Putschversuchs. Die Bewältigung der Covid-19-Pandemie lag in den Händen derselben euro-globalistischen Sphäre, und Brüssel war das Hauptverteilungszentrum für Impfstoffe in Afrika.
2 Roland Hureaux. «Les hauteurs béantes de l'Europe», Guibert 2000.