Bankrotterklärung für den deutschen Rechtsstaat
Zur EU-Sanktionierung von Alina Lipp und Thomas Röper – eine solidarische Stellungnahme
von Wolfgang Bittner,* Deutschland
(13. Juni 20259 (CH-S) In ihrem am 20. Mai beschlossenem 17. Sanktionspaket hat die EU unter anderem die deutschen Journalisten Alina Lipp und Thomas Röper als sanktionierte Personen gesetzt und ein Ein-und Durchreiseverbot für die EU und ihr Heimatland verhängt; ihre Vermögenswerte in Europa wurden eingefroren. Damit folgte die EU dem Vorgehen der Ukraine, die Frau Lipp und Herrn Röper auf die «Liste der ukrainischen Staatsfeinde» gesetzt hat, von denen einige bereits umgebracht wurden. Die Auflistung im EU-Sanktionspaket erfolgte ohne jede rechtsstaatliche Prüfung und in Missachtung der Pressefreiheit, der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie in Missachtung jeder Rechtsweggarantie.
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wolfgangbittner.de)
Wer nicht spurt, kann in der «liberalen Demokratie», in der wir nach Ansicht der führenden Berliner Politiker leben, eingeschüchtert, bestraft oder ausgeschaltet werden, sei es durch widerrechtlich angeordnete Hausdurchsuchungen, durch Geldstrafen oder – wie es in einzelnen Fällen vorgekommen ist – durch Haft. Die Auswüchse mehren sich.
Einen gravierenden Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit, der eine neue Dimension der rechtswidrigen Bedrohung und Bestrafung regierungskritischer Journalisten und ihrer Unterstützer bedeutet, unternahm die Europäische Union im Rahmen ihres am 20. Mai 2025 beschlossenen 17. Sanktionspakets gegen Russland. Betroffen sind erstmals zwei deutsche Staatsbürger, der Journalist und Autor Thomas Röper und die Journalistin und Bloggerin Alina Lipp. Beide leben in Russland und berichten von dort.

Gegen Thomas Röper und Alina Lipp werden Ein- und Durchreiseverbote verhängt und ihre Vermögenswerte in Europa «eingefroren». Weiter wird verfügt, dass ihnen «weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden» dürfen. Das bedeutet zugleich, dass sich etwaige Verkäufer oder Spender strafbar machen, wobei ein vorsätzlicher Verstoss gegen Sanktionen nach den EU-Bestimmungen, die in das nationale Strafrecht einzubeziehen sind, mit Freiheitsstrafe geahndet werden kann.
Der Vorgang, der noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre, schlägt hohe Wellen in den alternativen Medien, während in den bürgerlichen Medien entsprechend ihrer poltisch-ideologischen Ausrichtung zum Teil Verständnis für die Abwehr «russischer hybrider Bedrohungen», «Falschinformationen» und «Kreml-Propaganda» aufkommt.
Ihnen wird vorgeworfen, sie verbreiteten in ihren reichweitenstarken Blogs «systematisch Fehlinformationen über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine», sprächen der ukrainischen Regierung ihre Legitimation ab und beteiligten sich durch «Informationsmanipulation und Einflussnahme» an einem bewaffneten Konflikt in einem Drittland.

Aber was da geschieht, was sich die Brüsseler EU-Kommission vor aller Augen anmasst, ist eine Ungeheuerlichkeit. Die Aufhebung von Bürgerrechten ohne Anhörung, Anklage und Urteil, verbunden mit einer Bestrafung deutscher Staatsangehöriger durch Sanktionsmassnahmen, ist eine Bankrotterklärung für den Rechtsstaat. Aufgrund fragwürdiger Beschuldigungen werden Berufsverbote und Enteignungen verhängt, womit die Kommission eklatant ihre Befugnisse überschreitet. Die Frage, wer als nächstes vorgenommen wird, steht im Raum.
Diese Entwicklung ist unhaltbar und sollte nicht hingenommen werden. Geboten ist eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sowie eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit beim Internationalen Strafgerichtshof. Aufgerufen sind Juristen, die sich noch ihre Unbestechlichkeit bewahrt haben.
* Dr. Wolfgang Bittner, Jahrgang 1941, studierte Rechtswissenschaft, Soziologie und Philosophie in Göttingen und München und schloss 1973 sein zweites juristisches Staatsexamen ab. Seit 1974 hat sich Bittner mehr und mehr auf das Schreiben konzentriert. Er verfasste Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder und war als freier Mitarbeiter für zahlreiche Printmedien (u. a. Die Zeit, Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zeitung), den Hörfunk und das Fernsehen tätig. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und er erhielt mehrere Literaturpreise. Er lebt als freier Schriftsteller in Göttingen. Kürzlich ist im Verlag zeitgeist sein Buch «Niemand soll hungern, ohne zu frieren» erschienen. |
Quelle: https://voicefromrussia.ch/wolfgang-bittner-zur-sanktionierung-von-alina-lipp-und-thomas-roper-eine-solidarische-stellungnahme/, 27. Mai 2025
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Kommentar der Redaktion
(CH-S) Am 3. Juni übernahm der Schweizer Bundesrat das 17. EU-Sanktionspaket. Ob die Schweiz auch die Sanktionen gegen die beiden Journalisten übernommen hat, ist unklar. (Einerseits schreibt das SECO, dass sämtliche sanktionierten Personen in die Schweizer Sanktionsliste übernommen wurden, andererseits sind Frau Lipp und Herr Röper auf der Liste nicht zu finden.)
Bei dem von der EU verhängten Verbot der russischen Nachrichtenportale «Russia Today» und «Sputnik» hielt der Bundesrat sich an das Prinzip der Meinungs- und Informationsfreiheit und hielt den Schweizer Souverän für mündig genug, sich selbst ein Urteil zu verschiedenen Meinungen zu bilden. Er blieb bei der Auffassung, «unwahren und schädlichen Äusserungen mit Fakten zu begegnen, anstatt sie zu verbieten.» Er hielt sich damit auch an Art. 16 der Schweizer Bundesverfassung (BV), wonach in der Schweiz die Meinungs- und Informationsfreiheit gewährleistet ist.
«Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und frei zu verbreiten.» (Art. 16 Abs. 2). Auch für Ausländer gilt in der Schweiz nach Art. 8 BV das Recht, dass man nicht wegen seiner politischen Überzeugung diskriminiert werden darf. Nicht zuletzt bestimmt Art. 17 BV, dass in der Schweiz Zensur verboten ist.
Äusserst stossend ist, dass beim EU-Sanktionsbeschluss das Rechtsstaatsprinzip offensichtlich kein Massstab war. Für die Schweiz ist dies ein grundlegendes Prinzip der Bundesverfassung und garantiert, dass das staatliche Handeln an Recht und Gesetz gebunden ist. Es schützt die Freiheit des Einzelnen vor willkürlichen staatlichen Eingriffen und gewährleistet Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und die Beachtung der Menschenwürde. Nach Art. 29 und 30 BV steht jedem ein faires Gerichtsverfahren zu, bevor er bestraft werden kann.
Der «Schweizer Standpunkt» schliesst sich daher der Kritik an dem Sanktionsvorgehen gegen die Kollegen Lipp und Röper an und beklagt das laute Schweigen in den Mainstream-Medien zu diesem unsäglichen Vorgehen der EU.
Es bleibt zu hoffen, dass unsere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Gefahren einer weiteren Annäherung an EU und Nato rechtzeitig erkennen und die Volksinitiative zur Wahrung der Neutralität in der im Frühling 2026 erwarteten Abstimmung in der Mehrheit annehmen. Damit könnte dem unsäglichen, widerrechtlichen Sanktionswesen zumindest für die Schweiz ein Riegel geschoben werden.