Julius Malema, Nathalie Yamb und die neue afrikanische Radikalität

Guy Mettan
(Bild zvg)

von Guy Mettan,* Genf

(29. Februar 2024) Der afrikanische Kontinent, der sich jahrzehntelang im toten Winkel der Weltmedien befand, ist seit der Covid-Krise spannend zu beobachten, weil dort ständig haarsträubende Ereignisse stattfinden und eine Art nebulöse Hektik herrscht, die schwer zu entschlüsseln, aber sehr belebend ist.

Man wird sich zum Beispiel daran erinnern, dass Afrika trotz seines schrumpfenden BIP die Region der Welt war, die am wenigsten unter der Pandemie litt, und dass seine Bevölkerung die Gesundheitskrise praktisch unbeschadet überstand, indem sie der Hysterie der Gesundheitspässe, der Lockdowns, der Verbote aller Art und der krankhaften Faszination für kaum wirksame und überteuerte Impfstoffe entging. – Eine gute Lektion in Sachen gesunder Menschenverstand und Pragmatismus.

(Bild Schweizer Standpunkt)

Erfolgreiche demokratische Wahlen

Was die Institutionen betrifft, so hat der Kontinent gerade zwei erfolgreiche demokratische Wahlen erlebt. Im Oktober wählte eines der kleinsten Länder, Liberia, das zuvor von einem grausamen Bürgerkrieg heimgesucht worden war, einen neuen Präsidenten und vertrieb den bisherigen Präsidenten, den Fussballspieler Georges Weah, nach einem reibungslos verlaufenen Wahlkampf.

Noch überraschender ist, dass der Riese des Kontinents, die Demokratische Republik Kongo, die von verschiedensten Spannungen zwischen ethnischen Gruppen und einem endlosen von ihrem bösartigen Nachbarn Ruanda angeheizten Bürgerkrieg geplagt wird, ihren Präsidenten ohne Probleme wiedergewählt hat. Niemand hätte auch nur einen Cent auf ein solches Ergebnis gewettet.

Ein kühner Akt der Souveränität

Burkina Faso, Mali und Niger kündigten Ende Januar, kurz nachdem sie die französische Armee und die UN-Soldaten aus ihrem Hoheitsgebiet vertrieben hatten, ihren sofortigen Austritt aus der CEDAO an, der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, die von Frankreich im Hintergrund gesteuert wird.

Ein kühner und in der Geschichte des Kontinents völlig neuer Akt der Souveränität, der vielleicht die baldige Abschaffung des CFA-Franc einleitet, eines weiteren Überbleibsels der französischen Kolonialherrschaft, dessen Verurteilung Gaddafi 2011 eine westliche Militärintervention einbrachte, die für ihn tödlich endete.

Auf wirtschaftlicher Ebene bestätigte die Forbes-Rangliste 2024, dass es in Afrika 20 Milliardäre gibt und dass der reichste unter ihnen, der nigerianische Zementkönig Alike Dangote, ein Vermögen von 14 Milliarden US-Dollar besitzt. Dieser sehr blingbling-artige Indikator ist ziemlich anekdotisch, aber er hat das Verdienst zu zeigen, dass der Kontinent nicht aus den Ranglisten der Reichsten ausgeschlossen ist und dass der afrikanische Champion sein Vermögen in der produktiven Wirtschaft und nicht mit Gewinnen aus Diamanten-, Gold- oder Erdöl-Minen gemacht hat.

Neue Ideen und Einflüsse

Zweifellos zeichnet sich Afrika aber auf der Ebene der Ideen aus, wo Meinungsführer und «Neuronenschüttler» auftauchen, die einen grossen Einfluss auf die Jugend des Kontinents ausüben. In den französischsprachigen Ländern haben die drei neuen Führer der Militärjuntas, die in Mali, Burkina und Niger die Macht übernommen haben, Assimi Goita, Ibrahim Traoré und Abdourahamane Tiani, sowie der vierte Musketier, Oberst Mamadi Doumbouya aus Guinea, schnell ihre eigenen Vorstellungen und ihren pointierten Stil gegenüber den alten Machthabern in der afrikanischen Politik durchgesetzt.

Bei den Influencern ist der wachsende Einfluss der aus La Chaux-de-Fonds stammenden Schweiz-Kamerunerin Nathalie Yamb zu verzeichnen, die in Frankreich und in französisch geprägten Ländern mit einem Einreiseverbot belegt ist. Sie veröffentlicht jede Woche hetzerische Videos, die sich an ihre 384 000 Twitter-Follower und die 317 000 Hörer ihres Youtube-Kanals richten. Die mittlerweile in Zug lebende ehemalige Lebensgefährtin des ghanaischen Präsidenten Jerry Rawlings, die wegen ihrer pro-russischen Neigungen auch «Dame von Sotschi» genannt wird, entzündet das Netz, indem sie erklärt, dass «jeder französische Soldat, der in Afrika fällt, ein Feind ist, der fällt».

Eine Art moderner Steve Biko

Im englischsprachigen Afrika geht die Palme der Radikalität zweifellos an Julius Malema, der eine Art moderner Steve Biko ist und von der Jugend in den Townships und von allen panafrikanischen Aktivisten Afrikas verehrt wird. Er wurde 1981 geboren und gehörte zu den Pionieren des ANC [African National Congress], wurde aber wegen seiner extremistischen Reden gegen weisse Südafrikaner aus der Partei ausgeschlossen.

Als Gründer der Bewegung Economic Freedom Fighters (Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit) positioniert sich Malema als linksextrem, antikapitalistisch, anti-neoliberal, panafrikanisch, schwarz nationalistisch, antiweiss, antizionistisch und antiwestlich. Mit seinem Lied «Kill the Boers», das ein altes Anti-Apartheid-Lied aufgreift, aber nicht wirklich als pazifistische Hymne bezeichnet werden kann, wurde er zu einer Ikone des antikolonialen Kampfes.

Bei einem solchen Hintergrund ist es kein Wunder, dass er von den europäischen Medien ignoriert wird, aber im gesamten englischsprachigen Netz von Johannesburg bis Monrovia und von Harare bis Kampala1 verehrt wird.

Noch nie war die Forderung von «Afrika den Afrikanern» so sprachgewaltig. Es bleibt nun abzuwarten, wann und wie sie vertont wird.

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 Johannesburg (Südafrika), Monrovia (Liberia), Harare (Zimbawe), Kampala (Uganda)

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