Mutige Charaktere: Trump und Eisenhower

von M. K. Bhadrakumar,* Indien

(13. Juni 2025) Präsident Donald Trump hatte eine schwierige Woche. Nein, es geht nicht um Elon Musk oder die Harvard University. Am Mittwoch verlief sein Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht gut. Es entwickelte sich zu einer «Unterhaltung», wie Trump auf «Truth Social» schrieb, das nur eine Stunde und 15 Minuten dauerte, was bedeutet, dass abgesehen von der Zeit für die Übersetzung kein Raum für substanzielle Diskussionen blieb.

M. K. Bhadrakumar
(Bild zvg)

Der Anruf fand vor dem Hintergrund des Angriffs auf Russlands Nuklearstreitkräfte am 1. Juni statt. Trump räumte später in seinem «Truth Social»-Beitrag ein, dass Putin «deutlich» über die bevorstehende Reaktion Russlands gesprochen habe. Der Beitrag fiel durch seinen moderaten Ton auf.

Wir wissen nicht, ob Putin die Beteiligung des Westens angesprochen hat. Der Kreml erklärte lediglich, dass «Donald Trump erneut bekräftigt hat, dass die Amerikaner nicht im Voraus über diesen [Angriff] informiert worden sind».

Zelenskys Version lautet, dass der Angriff seit 18 Monaten geplant war. Wir sollen jedoch glauben, dass weder die CIA noch der MI6, deren Agenten in Kiew das Sagen haben, davon etwas mitbekommen haben. Trumps Beitrag auf Truth Social liess diesen entscheidenden Teil des Gesprächs mit Putin einfach weg, was von grosser Bedeutung ist – und weitreichende Folgen haben könnte.

Zumal der vom Kreml finanzierte Sender RT bereits einen Bericht veröffentlicht hatte,1 in dem ein ehemaliger französischer Geheimdienstmitarbeiter zu dem Schluss kam, dass der Angriff auf die Ukraine ohne US-Satellitendaten nicht möglich gewesen wäre.

Zuvor hatte «Tass» ebenfalls einen ähnlichen Bericht veröffentlicht,2 in dem ein ehemaliger US-Marineoffizier schätzte, dass die Biden-Regierung in den 18 Monaten praktisch auf Autopilot geschaltet war (aufgrund der Demenz des Präsidenten). Ein interessanter Gedanke an sich?

«Tass» zitierte die amerikanische Quelle, die in einem War Room-Podcast tatsächlich sagte:

«Also, wer war es auf amerikanischer Seite, der entweder grünes Licht dafür gegeben oder die ersten Informationen für die Zielauswahl geliefert hat? Hey, wo sind William Burns und Jack Sullivan, die neokonservativen Wunderkinder in Bidens Team?

Ebenfalls am selben Tag, an dem Trump mit Putin sprach, warnte der stellvertretende russische Aussenminister Sergej Rjabkow auf einer Pressekonferenz in Moskau:

«Die Tatsache, dass bestimmte Kreise in den Vereinigten Staaten Pläne geschmiedet haben und immer noch schmieden, um Russland als Staat zu vernichten, ist ebenfalls unbestreitbar. [...] Wir sollten die Folgen einer solchen Denkweise nicht unterschätzen. [...] Die russische Gesellschaft sollte in höchster Bereitschaft für alle Intrigen bleiben.»

Interessanterweise forderte Rjabkow Washington und London ausdrücklich auf, sich zu den Angriffen auf russische Flugplätze zu äussern. Er sagte: «Wir fordern, dass sowohl London als auch Washington so reagieren, dass diese jüngste Eskalation der Spannungen gestoppt wird.»

Auf die Frage nach dem ukrainischen Angriff am Mittwoch in Brüssel brachte NATO-Generalsekretär Mark Rutte ein geniales Argument vor:3

«Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kapazitäten, die sie getroffen haben, diejenigen waren, die die Russen einsetzten, um unschuldige Menschen anzugreifen, die in ukrainischen Städten und Gemeinden ihrem Alltag nachgingen. Ich denke, das sollten wir zur Kenntnis nehmen.»

Der arme Kerl war offensichtlich eingeweiht! Rutte lehnte es ab, weiter zu sprechen.

Ebenso sind die sozialen Medien voll von Einschätzungen einiger prominenter amerikanischer Experten, insbesondere ehemaliger CIA-Analysten, die direkt auf die Beteiligung der Behörde hinweisen. Natürlich verfügt Russland über die Erfahrung und das technische Know-how, um tief zu graben.

Es gibt vergleichbare Situationen. Ich denke dabei an den berühmten Vorfall mit dem Spionageflugzeug U-2 am 1. Mai 1961. Vielleicht befindet sich Trump in derselben peinlichen Lage wie Präsident Dwight Eisenhower.

Soll man Trump den Vertrauensvorschuss gewähren und davon ausgehen, dass er auch nichts von dem Angriff auf die russischen Nuklearstreitkräfte am 1. Juni wusste? Meiner Meinung nach ist die Analogie zum U-2-Vorfall zutreffend: eine seltene Konfrontation aus der Zeit des Kalten Krieges, bei der die USA in einem kritischen Moment, als das Weisse Haus um eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland bemüht war, die Souveränität und das Hoheitsgebiet Russlands eklatant verletzt haben.

Eisenhower wurde über die Einzelheiten des U-2-Vorfalls im Unklaren gelassen, obwohl der Countdown für sein geplantes Gipfeltreffen mit dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow in Paris gelaufen war, bei dem es um eine Entspannung zwischen den USA und der Sowjetunion gehen sollte (genau das, was Trump derzeit mit Putin versucht). Die folgenden Auszüge aus den Archiven des Dwight D. Eisenhower Memorial, Eisenhower National Historic Site,4 sind besonders aufschlussreich:

«[Der U-2-Spionageflieger Gary] Powers hatte tatsächlich einen Notfallplan in Form einer versteckten Spritze mit dem Gift Saxitoxin. Bei Injektion hätte dies seinen Tod bedeutet und seine Gefangennahme verhindert. Powers machte davon jedoch keinen Gebrauch und wurde kurz nach der Landung von sowjetischen Bürgern umzingelt. Diese fanden schnell seine von den Vereinigten Staaten ausgestellte Waffe und andere Gegenstände mit der Flagge der USA und übergaben ihn den sowjetischen Behörden. Powers und die Überreste seines Spionageflugzeugs wurden zur Untersuchung und Dokumentation nach Moskau gebracht. Innerhalb weniger Stunden wurde Chruschtschow über die Gefangennahme des Piloten und das Wrack der U-2 informiert.»

«Als Powers nicht wie geplant in Norwegen landete [die U-2 war von ihrem Stützpunkt in Peshawar gestartet], begann die CIA zu überlegen, was passiert sein könnte. Daraufhin wurde ihr Notfallplan in Kraft gesetzt. Um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit und die Sowjets die wahre Natur der U-2-Maschine erfuhren, wurde eine Desinformationskampagne gestartet. In einer Pressemitteilung der NASA hiess es, eines ihrer Höhenforschungsflugzeuge vom Typ U-2 sei über der Türkei verschwunden und möglicherweise aufgrund eines bewusstlosen Piloten in den sowjetischen Luftraum abgedriftet. Eine U-2 in den Farben der NASA wurde ebenfalls präsentiert, um die Geschichte glaubhaft zu machen. Chruschtschow erfuhr von dieser Geschichte von den Amerikanern und beschloss, den Vereinigten Staaten und Eisenhower eine Falle zu stellen.»

«Die Sowjets veröffentlichten Informationen, dass ein Spionageflugzeug abgeschossen worden sei, gaben jedoch keine weiteren Informationen über den Zustand des Flugzeugs oder Powers bekannt. Die USA glaubten, die Geschichte weiter beeinflussen zu können, und veröffentlichten weiterhin ‹Berichte› über Sauerstoffprobleme im Flugzeug und dass der Autopilot das Flugzeug möglicherweise in sowjetisches Gebiet gelenkt habe. Als die Täuschung der Vereinigten Staaten gross genug war, schlug Chruschtschow am 7. Mai zu und erklärte, der Pilot sei am Leben und die Sowjets hätten die Überreste des Flugzeugs mit einer Kamera und Filmmaterial von sowjetischen Militäranlagen sichergestellt. Dies zerstörte die Tarngeschichte und war eine öffentliche Blamage für die Vereinigten Staaten und Präsident Eisenhower. Der Präsident erfuhr davon in seinem Büro in seiner Residenz in Gettysburg, wo er einen Anruf erhielt, der ihm mitteilte, dass die Sowjets Powers gefangen genommen hatten. Dies zerstörte die Ruhe und den Frieden seines Aufenthalts in Gettysburg, und er wusste, dass er in den Augen der Sowjetunion dafür verantwortlich gemacht werden würde. In einer Bemerkung gegenüber einem Berater soll Eisenhower gesagt haben: ‹Ich möchte zurücktreten.›»

Eisenhower trat zwar nicht zurück, aber der U-2-Vorfall und die akute Blamage so kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit prägten sein Vermächtnis im Kalten Krieg. Chruschtschow sagte den Pariser Gipfel ab, und die Entspannung zwischen den USA und der Sowjetunion musste warten, bis Henry Kissinger seine Macht über die aussenpolitischen Strategien der USA gefestigt hatte. Trotzdem hat der «Deep State», der Entspannung verabscheut, die Präsidentschaft von Richard Nixon unterminiert!

Eisenhowers Gefühl des Verrats spiegelt sich in seiner Abschiedsrede wieder, in der er den «Deep State» bitter kritisierte und prophezeite, dass dieser eines Tages die Demokratie Amerikas zerstören werde.

Die Geschichte wiederholt sich. Schauen Sie sich die Turbulenzen an, die bereits die Präsidentschaft Trumps erschüttern. 82 von 100 Senatsmitgliedern unterstützen einen Gesetzentwurf von Senator Lindsey Graham (dessen Verbindungen zum Deep State bekannt sind), der Trump dazu zwingt, «knallharte» Sanktionen gegen Russland zu verhängen, deren einziges Ziel es ist, jede Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Russland zu verhindern. Unterdessen ist bereits ein Ruf nach einer Amtsenthebung Trumps zu hören.

* M. K. Bhadrakumar hat rund drei Jahrzehnte als Karrierediplomat im Dienst des indischen Aussenministeriums gewirkt. Er war unter anderem Botschafter in der früheren Sowjetunion, in Pakistan, Iran und Afghanistan sowie in Südkorea, Sri Lanka, Deutschland und in der Türkei. Seine Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit der indischen Aussenpolitik und Ereignissen im Mittleren Osten, in Eurasien, in Zentralasien, Südasien und im Pazifischen Asien. Sein Blog heisst «Indian Punchline».

Quelle: https://www.indianpunchline.com/profiles-in-courage-trump-eisenhower/, 6. Juni 2025

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://www.rt.com/russia/618640-ukraine-attack-us-intel/

2 https://tass.com/world/1967923

3 https://www.yahoo.com/news/nato-secretary-general-comments-ukraines-103444655.html

4 https://www.nps.gov/ddem/index.htm et  https://www.nps.gov/eise/index.htm

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