Rückkehr der USA in den UNO-Menschenrechtsrat – eine Verhöhnung seiner «Raison d’être»

Alfred de Zayas (Bild zvg)

von Alfred de Zayas und Adriel Kasonta*

(20. November 2021) Die USA haben ihren Sitz im UNO-Menschenrechtsrat in einer unangefochtenen Abstimmung in der Generalversammlung der Vereinigten Nationen vom 14. Oktober 2021 wiedererlangt, nachdem die Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump das 47 Mitglieder zählende Gremium 2018 mit der Begründung der «chronischen Voreingenommenheit» gegen Israel verlassen hatte.

Mit 168 Stimmen sicherten sich die USA zusammen mit 17 anderen Ländern den zweitletzten Platz und schlugen damit nur Eritrea, das sich mit 144 Stimmen am Ende der Liste wiederfand. Zum Vergleich: Benin und Gambia waren mit 189 bzw. 186 Stimmen die Spitzenreiter.

«Die Abwesenheit von Wettbewerb bei der diesjährigen Abstimmung im Menschenrechtsrat spricht dem Wort ‹Wahl› Hohn», sagte der UN-Direktor von Human Rights Watch, Louis Charbonneau, in einer Erklärung. Die USA haben also nichts zu feiern, ausser ihre erfolgreichen Mobbingpraktiken.

Adriel Kasonta (Bild zvg)

Laut der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, werden die Ziele Washingtons darin bestehen, «sich an die Seite von Menschenrechtsverteidigern zu stellen und sich gegen Menschenrechtsverletzungen und -missbrauch in Ländern wie Afghanistan, Myanmar, China, Äthiopien, Syrien und Jemen» auszusprechen, und sich ständig gegen «die unverhältnismässige Aufmerksamkeit des Rates für Israel» zu wenden.

Solche Worte sind natürlich eine kognitive Dissonanz – reine Propaganda.

Wenn «das Land der Freiheit und die Heimat der Tapferen» an der Verteidigung der Menschenrechte interessiert wäre, würde es Julian Assange, Chelsea Manning, Edward Snowden und weitere Whistleblower unterstützen, die echte Menschenrechtsverteidiger sind und persönliche Risiken eingehen, um Kriegsverbrechen anzuprangern und demokratische Prinzipien zu verteidigen.

Wenn die USA sich den Menschenrechten verpflichtet fühlten, würden sie sofort die «Killersanktionen» aufheben, die die Regierungen in ihrer Fähigkeit, Covid-19 zu bekämpfen, gelähmt haben, Sanktionen, die nur darauf abzielen, einen «Regimewechsel» in Ländern zu erreichen, die sich den Befehlen Washingtons nicht beugen, Sanktionen, die Zehntausende von Menschen in Kuba, Nicaragua, Syrien und Venezuela getötet haben und weiterhin töten, weil sie direkt zu Lebensmittel- und Medikamentenknappheit, Nichtverfügbarkeit von Dialysegeräten und medizinischen Scannern, Zusammenbruch der Infrastruktur, Arbeitslosigkeit, Massenmigration und Verzweiflung führen.

Genf. «Der Menschenrechtsrat (HRC=Human Rights Council) ist ein zwischenstaatliches Gremium innerhalb der Vereinten Nationen und besteht aus 47 Staaten. Der Rat setzt sich dafür ein, dass die Menschenrechte weltweit vermehrt gefördert und geschützt werden. Gegründet wurde der HRC am 15. März 2006 von der UN-Generalversammlung mit dem vorrangigen Ziel, in Situationen von Menschenrechtsverletzungen zu reagieren und entsprechende Empfehlungen abzugeben.»
(Quelle: https://www.geneve-int.ch/de/der-menschen‐rechtsrat-hrc-0)

Die US-Agenda im Rat dient lediglich dazu, die nationalen Sicherheitsprioritäten der USA voranzutreiben, die laut einem Bericht von Reuters für die Regierung von US-Präsident Joe Biden weitaus wichtiger sind als der Schutz der Menschenrechte selbst.

Der jüngste Schritt, sich wieder in der internationalen Institution zu engagieren, steht im Einklang mit dem Plan von US-Aussenminister Antony Blinken, mit dem Rückzug der Trump-Ära zu brechen und der im Februar argumentierte, dass Trump «nichts getan hat, um einen sinnvollen Wandel zu fördern. Stattdessen hat er ein Vakuum in der US-Führung geschaffen, das Länder mit autoritären Agenden zu ihrem Vorteil genutzt haben.»

Blinken ist natürlich ein erfahrener Akteur in der US-Propaganda und Desinformation. Er ist ein eloquenter Redner, der sich im Gegensatz zu Mike Pompeo wirklich bemüht, den amerikanischen Imperialismus als Demokratieförderung erscheinen zu lassen.

Tatsächlich unterstützt Washingtons Präsenz im Menschenrechtsrat einerseits den parteiübergreifenden Konsens im US-Kongress in Bezug auf die Verharmlosung der Menschenrechtsverletzungen Israels gegenüber den Palästinensern, die im April von Human Rights Watch als «Verbrechen der Apartheid und der Verfolgung» bezeichnet wurde. Anderseits ermöglicht sie Washington, die Menschenrechte als Waffe gegen seine geopolitischen Feinde wie China zu benutzen, indem Themen im Zusammenhang mit der taiwanesischen Region, der Sonderverwaltungsregion Hongkong und der Autonomen Region Uygur im Xinjiang hervorgehoben werden.

Der Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf wurde 2006 gegründet, um eine Kommission zu ersetzen, die zuvor wegen der schlechten Menschenrechtsbilanz ihrer Mitglieder in Verruf geraten war. Doch der neue Rat ist genauso politisch wie die Kommission, und die Menschenrechtsbilanz der Mitglieder ist genauso schlecht – wenn nicht noch schlechter –, wie wir aus der Allgemeinen regelmässigen Überprüfung wissen.

Da die USA ab 2022 einen Sitz im Rat haben werden, wird sich zeigen, ob das Gremium dem Druck aus Washington widerstehen wird, im Dienste seiner nationalen Sicherheitsziele kompromittiert zu werden, und ob es unparteiisch bleiben wird, wenn es darum geht, «Gräueltaten zu dokumentieren, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen», wie Minister Blinken behauptet hat.

Meint Blinken das ernst? Dann muss der Rat die USA für die fortgesetzte Diskriminierung von Afroamerikanern und den fast vergessenen amerikanischen Ureinwohnern, den Sioux, Kreen, Cherokee und Seminolen, zur Rechenschaft ziehen. Wie Vizepräsidentin Kamala Harris selbst kürzlich hervorhob, wurden sie zu Touristenattraktionen degradiert und ihr Land sollte sich der «beschämenden Vergangenheit» mit ihren Stammesvölkern stellen.

Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass China und Russland ebenfalls Mitglieder des Menschenrechtsrates sind und in den letzten Jahren an Durchsetzungsvermögen gewonnen haben. An der 48. Sitzung des Rates, die am 8. Oktober zu Ende ging, hat China eine entschlossene Resolution zum Kolonialismus und seinen Folgen eingebracht, die ohne Gegenstimmen, aber bei Enthaltung aller US-Verbündeten angenommen wurde. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass ein anderer Wind weht.

Auf den Fluren des Palais des Nations hört man, dass die Chinesen die Nase voll haben von den unbelegten Anschuldigungen aus Washington. China hat sie widerlegt und daraufhin die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet zu einem Besuch nach China eingeladen.

Es wird erwartet, dass Bachelet tatsächlich nach China reisen wird, aber sie will ihre mögliche Wiederernennung im Jahr 2022 nicht riskieren. Das Amt des UN-Hochkommissars für Menschenrechte steht unter erheblichem Druck seitens der USA und ihrer Verbündeten, und es besteht die Sorge, dass eine Mission nach China dazu führen könnte, dass die von China in Xinjiang und Hongkong ergriffenen Antiterrormassnahmen legitimiert werden.

Der Menschenrechtsrat muss sich auf das Erbe von Eleanor Roosevelt besinnen und auf Kooperation statt auf Konfrontation setzen. Die Mitgliedschaft der USA wird die Situation weder verschlechtern noch verbessern. Was wir brauchen, ist intellektuelle Ehrlichkeit – und daran hat es schon immer gemangelt.

* Alfred de Zayas ist Professor für Völkerrecht, ehemaliger Sekretär des UNO-Menschenrechtsausschusses und von 2012 bis 2018 unabhängiger Experte der UNO für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung.

Adriel Kasonta ist ein in London ansässiger Berater für politische Risiken und Rechtsanwalt jüdischer und tansanischer Abstammung.

Quelle: https://news.cgtn.com/news/2021-10-18/U-S-return-to-Human-Rights-Council-a-mockery-of-its-raison-d-tre-14s75XDkSoE/index.html, 18. Oktober 2021

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

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