«Wir sind gekippt – unter dem Druck der Grossbanken»

Christoph Pfluger.
(Bild www.christoph-
pfluger.ch)

Die Sanktionen gegen Russland und die Bedeutung der Neutralität im Wirtschaftskrieg

Interview mit alt Bundesrat Christoph Blocher*, Fragen von Christoph Pfluger**

Christoph Pfluger: Neutralität wird vor allem militärisch verstanden, hat aber, wie sich jetzt zeigt, auch eine wirtschaftliche Komponente. Wie sehen Sie das?

Dr. Christoph Blocher: Ich habe erst jetzt festgestellt, wie wichtig es für unsere internationalen Kunden ist, dass wir aus einem neutralen Staat liefern. Sie sagen: Bei euch waren wir bis jetzt sicher, dass ihr nicht einmal auf Seiten der USA standen, dann für die Russen oder für die Chinesen, sondern ihr seid streng neutral, bewaffnet und auch nicht für nicht-militärische Kampfmassnahmen. Das Letzte ist besonders wichtig. Man muss sehen, dass die USA einen Krieg nicht mehr mit der Armee führen, sondern mit nicht-militärischen Massnahmen, vor allem mit Wirtschafts-Boykotten.

Christoph Blocher. (Screenshot aus dem Interview mit Chr. Pfluger)

Jetzt haben wir einen Krieg zwischen den USA und China. 140 Prozent Zölle bedeutet, dass man nicht mehr liefern kann. Da ist es wichtig, dass wir nicht Partei nehmen. Die Menschen haben Angst vor Unternehmen, die Partei ergreifen. Das ist auch wirtschaftlich wichtig für uns als Kleinstaat. Ich bin überzeugt: Wenn wir die traditionelle, vollständige Neutralität aufgeben, sind wir niemand mehr auf der Welt und nicht mehr von Interesse.

Christoph Pfluger: Es gibt Vermutungen, dass wir Ende Februar 2022 wirtschaftlich unter Druck gesetzt wurden, die Neutralität aufzugeben. Was wissen Sie darüber?

Dr. Christoph Blocher: Wir haben die Sanktionen ergriffen, weil wir dem Druck der USA nachgegeben haben, die uns gesagt haben, wir müssten mitmachen. Das war natürlich noch die Regierung Biden. Da sind wir innerhalb einer Woche gekippt – unter dem Druck der Grossbanken. Sie sagten uns, wenn wir uns nicht beteiligten, würden die USA uns mit der Währung unter Druck setzen und aus dem Dollar werfen. Die Grossbanken hätten genauso gut sagen können: Wir machen das, wenn die Amerikaner darauf bestehen, aber nicht noch den Staat hineinziehen. Sie hätten den russischen Oligarchen sagen müssen, dass sie keine Geschäfte mehr mit ihnen machen könnten, weil sie sonst die USA verlören. Stattdessen haben sie den Staat hineingezogen. Jetzt können sie den Oligarchen sagen: Wir würden gerne noch mit euch geschäften, aber der Staat verbietet es uns. Darum dürfen wir uns nie unter Druck setzen lassen. Darum die Neutralitätsinitiative, damit man nicht einfach ein Hinundher machen kann.

Christoph Pfluger: 55 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind gemäss einer ETH-Studie von 2023 für die Annäherung an die Nato. Wenn die Abstimmung zur Neutralitätsinitiative zu einer Frage der Annäherung wird, geht die Abstimmung verloren. Was sagen Sie dazu?

Dr. Christoph Blocher: Wir müssen aufdecken, was Annäherung bedeutet. Ich habe nichts dagegen, wenn wir uns irgendetwas annähern. Wir können uns den USA annähern, wir können uns China annähern, wir können uns auch der Nato annähern. Aber wir dürfen uns nicht binden. Darum verwenden sie diese Wörter. Sie wissen schon, warum sie nicht von einem Rahmenvertrag sprechen, bei dem dann die EU die Richtung vorgibt. Sie fragen lieber: Wollt ihr auch stabile Verhältnisse mit der EU? Da wäre auch ich dafür. Das sind die gefährlichen Dinge. Und bei der Neutralität wird es sehr gefährlich. Sie sagen zwar, wir seien nach wie neutral, aber müssten flexibel sein. Das ist gefährlich.

* Christoph Blocher, geboren 1940, Doktor der Rechtswissenschaften, Unternehmer, Mitglied des Nationalrats 1979–2003, Wahl in den Bundesrat 10.12.2003, Vorsteher des Eidg. Justiz-und Polizeidepartements (EJPD) von 2004–2007.
** Christoph Pfluger, geboren 1954, Journalist und seit 1992 Verleger der Zeitschrift «Zeitpunkt». Vorstandsmitglied und Sprecher des Vereins «Bewegung für Neutralität» (https://bene.swiss)

Quelle: https://bene.swiss/blocher-sanktionen-grossbanken/, 17. April 2025

Die «Bewegung für Neutralität» wurde am 9. März 2025 von 46 engagierten Menschen gegründet.

Sie versteht sich als Trägerverein zur Unterstützung von lokalen Gruppen und Aktivisten, die sich für die Neutralität als Basis von Frieden, direkter Demokratie und eine Schweiz der guten Dienste einsetzen wollen.

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